Erscheinungsdatum: Dienstag, 6. Februar 2009
Quelle: Südwestpresse
Denkanstöße zur Würde am Lebensende
Erscheinungsdatum: Dienstag, 3. Februar 2009
Quelle: Südwestpresse
Denkanstoß zum Lebensende
Erscheinungsdatum: Dienstag, 27. Januar 2009
Quelle: Südwestpresse
Gemischte Reaktionen auf die Denkanstöße
Abschluss der dreitägigen Veranstaltungsreihe
Die „1. Ulmer Denkanstöße“ haben am dritten und letzten Tag viel Publikum ins Stadthaus gezogen. Die Reaktionen sind dennoch durchwachsen.
CHIRIN KOLB
Es war der ambitionierte Auftakt einer Reihe, die künftig jedes Jahr stattfinden soll: Die „1. Ulmer Denkanstöße“, organisiert von Stadt Ulm und Uni Ulm, hatten zum Thema „Interkulturalität“ hochkarätige Referenten, die von Donnerstag bis Samstag im Stadthaus Vorträge hielten oder auf dem Podium diskutierten. Waren die ersten Veranstaltungen noch mäßig besucht, so stießen vor allem die Referate am Samstagnachmittag auf großes Interesse.
Für OB Ivo Gönner waren die ersten „Denkanstöße“ ein „vielversprechender Auftakt“, mit dem er zufrieden sei. „Wir werden die Veranstaltungen jetzt reflektieren und überlegen, ob es zu viel Programm oder auch zu wenig war“, sagte er am Rande der abschließenden Diskussion. Manche Besucher sahen die Vortragsreihe nicht so positiv. „Von wegen Denkanstöße – das ist doch alles längst bekannt“, sagte einer, der sich seit Jahren mit Interkulturalität und Integration befasst.
Um Integration ging es auch in der Diskussionsrunde zum Abschluss. Prof. Karl-Heinz Meier-Braun, Leiter der Redaktion International des SWR, stört an der gegenwärtigen Debatte vor allem zweierlei. Erstens sei die Diskussion zu eng begrenzt auf Muslime. Zweitens stehe Deutschland erst am Beginn: „Wie kann man Integration als gescheitert erklären, wenn man sie sich erst vor zwei, drei Jahren auf die Fahnen geschrieben hat?“
Die islamkritische Autorin Dr. Necla Kelek warnte vor Verharmlosung. „Wir müssen bei den Problemen anfangen und nicht bei den Leuten, die die Integration geschafft haben.“ Als Beispiele nannte sie Zwangsheirat und Ehrenmorde. Sie forderte Entscheidungsfreiheit über sein Leben für jeden Menschen, kein Diktat durch den Islam.
Den Islam als solchen gebe es nicht, sagte Gönner. In Ulm lebten 8000 Türken, „eine höchst heterogene Gruppe“. Kurden seien darunter, Aleviten, und jeder dürfe in der Stadt nach seinen Gewohnheiten leben – sofern er friedlich bleibt, den Rechtsstaat achtet und die Rechte anderer respektiert.
Ein wichtiger Baustein für Integration ist Bildung. „Man kann aus der Hauptschule kommen und eine Chance haben“, diese Überzeugung versucht Rolf Kessler, Rektor der Spitalhofschule, seinen Schülern aus 14 Nationen zu vermitteln. Er gibt zu: „Es gelingt nicht immer.“
Auf der Tagung „1. Ulmer Denkanstöße“ dachte Kulturbürgermeisterin Sabine Mayer-Dölle weit voraus: Ulm auf dem Weg zur Kulturhauptstadt.
JÜRGEN KANOLD
„Kultur ist nicht, Kultur passiert“ – ein schöner Satz, ein Denkanstoß. Professor Heinz Kimmerle von der Universität Rotterdam warf ihn ein in seinem Vortrag über „Interkulturalität als Überwindung des Eurozentrismus“, gehalten gestern im Haus der Museumsgesellschaft auf der Tagung „1. Ulmer Denkanstöße“. Was Kimmerle unter anderem einfach mal
sagen wollte: Die Europäer sollten vom hohen Ross heruntersteigen und anerkennen, dass beispielsweise die Afrikaner nicht minder eine eigenständige Philosophie und Kunst besitzen und dass sich auf diesen Gebieten überhaupt ein Dialog „auf der Ebene völliger Gleichheit“ führen lässt. Was der Satz „Kultur ist nicht, Kultur passiert“ aber vor allem auch bedeutet: Von Kultur sollte man nicht nur reden, man sollte welche machen.
Das fiel einem dann später beim Vortrag der Ulmer Kulturbürgermeisterin Sabine Mayer-Dölle ein. Sie betrieb nämlich City-Marketing, warb in großen Worten für Ulm, „der Tür nach Südosteuropa“, und hielt eine mittlere Regierungserklärung. Unterm Titel „Ulm, Kulturstadt an der Donau, braucht den interkulturellen Dialog“ zählte sie viele überzeugende Beispiele dafür auf, wie die Interkulturalität eine Kraftquelle für die Stadt war und ist. Ob nun Ulm einst vom Handel der Völker profitierte oder Künstler und Wissenschaftler aus vielen Ländern hier gewirkt haben.
Aber beim Begriff „Kulturstadt an der Donau“ blieb Mayer-Dölle nicht stehen, sie erzählte den Zuhörern, dass die Ulmer „das Träumen nicht verlernt haben“, betonte, dass Ulm Europas Kulturhauptstadt 2020 werden wolle. Und den Weg dorthin „ebnet die Interkulturalität“. Wohl wahr, aber es muss eben auch Kultur „passieren“.
Auftakt zur Reihe „Ulmer Denkanstöße“: Prof. Rudolf Stichweh, Rektor der Uni Luzern, sprach über „Interkulturalität in der Weltgesellschaft.“
CHRISTOPH MAYER
Ulm Trotz aller kultureller Unterschiede auf unserem Globus ist das System der „Weltgesellschaft“ längst Realität geworden; es ist aus der kolonialen Expansion Europas heraus entstanden. Die Weltgesellschaft ist weder einheitlich noch konfliktfrei und schon gar nicht friedlich. Aber sie funktioniert, da alle Konflikte, Kriege und Ungleichheiten innerhalb eines
globalen Zusammenhangs produziert werden.
Das ist die zentrale Hypothese von Prof. Rudolf Stichweh, der als einer der bedeutendsten deutschen Soziologen der Gegenwart gilt und der seit 2006 Rektor der Universität Luzern ist. Als „Kernstruktur“ des Systems „Weltgesellschaft“ hat Stichweh dessen funktionale Differenzierung ausgemacht. Will heißen: Es gibt Sphären der Politik, Sphären der Wirtschaft, des Rechts, des Sports, des Tourismus – ja sogar Sphären der Liebesbeziehungen. Und in all diesen Sphären kommt der Mensch heute nicht mehr umhin, weltweit zu kommunizieren. „Selbst Schweizer heiraten heute zu 30 Prozent Partner aus anderen Ländern.“ Sprich: Für jeden Menschen können globale Zusammenhänge wichtig werden und in dessen Leben eingreifen.
Der Festvortrag Stichwehs gestern Abend im Ulmer Stadthaus war der Auftakt zu den „1. Ulmer Denkanstößen“, einer von der Kulturabteilung der Stadt Ulm und dem Humboldt-Studienzentrum für Geisteswissenschaften der Uni Ulm ins Leben gerufenen und von der Sparda-Bank gesponserten öffentlichen Tagung, die künftig einmal jährlich stattfinden soll. Mit dem Ziel, Universität und Stadtgesellschaft näher zusammenzubringen.
Thema 2008: Interkulturalität. Damit will man zum einen der Europäischen Union Rechnung tragen, die das laufende Jahr zum „Jahr des interkulturellen Dialogs“ ausgerufen hat. Zudem handelt es sich auch um ein Thema, um das man in Zeiten von Globalisierung und stetig wachsender Mobilität nicht mehr herumkommt. Mehr als je zuvor sind Menschen dazu
gezwungen, sich mit dem „Fremden“ zu beschäftigen. In weiteren Vorträgen und Podiumdiskussionen will man diesem Umstand heute und morgen Rechnung tragen.