Sven Kemmler tritt am Freitagabend im Stadthaus mit seinem Programm „endlich“ auf.
Herr Kemmler, wie viel Ego verträgt das Kabarett?
Sven Kemmler: Es braucht viel gesundes Ego, denn sonst stellt man sich nicht auf eine Bühne und glaubt man hätte etwas zu erzählen, über das das Publikum auch noch lachen kann. Der Amerikaner Jerry Seinfeld hat gesagt, Kabarett ist ein normaler Job, nur in Unterhosen.
Wie ist das gemeint?
Sven Kemmler: Die Verletzlichkeit wenn ein Programm nicht ankommt. Wenn keiner lacht. Das ist grausam. Dieser Augenblick kann jederzeit kommen und deshalb braucht man jeden Abend Mut, ins Rampenlicht zu treten. Trotzdem glaube ich, die Bühne ist vergleichsweise frei von falschem Ego. Das wäre der Fall, wenn das Publikum nur lacht, damit es dem Kabarettisten besser geht. Aber das Lachen ist nicht echt.
Und wie viel Teamarbeit ist Kabarett?
Sven Kemmler: ImAnfang ist das überschaubar, theoretisch geht das ganz allein. Aber ein professioneller Künstler benötigt Vertraute, einen Regisseur und ein Management. Einer Handvoll Menschen zeige ich ein neues Programm, damit ich Feedback bekomme. Freunde sagen mir eher, ob ich den Geschmack getroffen habe, befreundete Künstler, ob die Technik stimmt.
Sie brauchen einen Regisseur?
Sven Kemmler: Er ist wie ein guter Lektor. Die künstlerische Hoheit liegt zwar bei mir, aber er gibt mir dramaturgische Tipps. Wie präsentiere ich mich, wo muss ich das Programm umstellen, wo muss ich pointierter agieren.
Und das Management?
Sven Kemmler: … stellt beispielweise die Tour zusammen. Bühnen zu finden wird immer schwieriger. Die Konkurrenz wird größer. Allerdings entstehen in geeigneten Wirtshäusern neue Möglichkeiten für Auftritte. Bei allem Eigeninteresse muss es genügend Platz für andere Kabarettisten geben, sonst stirbt diese Szene. Aber ein gutesManagement berät auch, indem sie beispielsweise sagen, dieser Auftritt wäre zwar lukrativ, aber es ist das falsche Format.
Kommt man sich ins Gehege, wenn man mit anderen Kabarettisten auftritt?
Sven Kemmler: Es gibt schon hier und da Kollegen, die sich nach vorne drängen. Aber wir sind meist solo unterwegs und deshalb freuen wir uns, wenn wir mit anderen zusammen auftreten können. Das Motto ist dann: Wir machen uns und dem Publikum einen schönen Abend. www.sven-kemmler.de
Wie viel „Ich“ ist ok? Egoismus und Gemeinsinn bei der 4. Ulmer Denkanstöße
„Ich oder Wir?“ lautet die Frage der 4. Ulmer Denkanstöße vom 16.-19. M?rz. Einerseits entdecken die Deutschen während sportlicher Großereignisse das Public Viewing statt alleine vor dem Fernseher zu sitzen.
Andererseits gelten egoistische Motive wie der Ellbogeneinsatz in Führungspositionen als notwendig für den beruflichen Erfolg. „Wir leben in einer Zeit des Umbruchs“, sagt Renate Breuninger, Professorin und Geschäftsführerin des Humboldt-Studienzentrums der Universität Ulm: „Egoistisch zu sein, hat einen schlechten Beigeschmack bekommen.“
Wie viel Ich, wie viel Wir ist für die Gesellschaft und den Einzelnen sinnvoll? Darum geht es in den Vorträgen und der Podiumsdiskussion, genauso wie im Film „Die fetten Jahre sind vorbei“ am Mittwochabend und im Kabarett am Freitagabend von Sven Kemmler (siehe untenstehendes Interview). „Ob privat oder beruflich sind Hilfsbereitschaft und der Wille zur Kooperation entscheidend für ein gutes Miteinander. Wenn es darum geht, zu überleben, kann Egoismus existentiell sein“, findet Sabine Mayer-Dölle, Bürgermeisterin für die Fachbereiche Kultur, Bildung und Soziales. In einer älter werdenden Stadtgesellschaft gehe es darum, die Lebenssituationen von jung und alt gleichermaßen im Blick zu haben.
Den Einführungsvortrag am Donnerstagabend, 19.30 Uhr im Ulmer Stadthaus hält der bekannte Philosoph Peter Sloterdijk, der von starken Gründen über das Zusammensein weiß. Der Saal mit 320 Plätzen ist bereits ausgebucht. Deshalb wird die Veranstaltung ins Foyer und ins Stadthaus übertragen. Zusammen mit dem Mitveranstalter Stadt Ulm und dem Förderer Stiftung Kunst und Kultur der Sparda-Bank Baden-Württemberg hat Renate Breuninger ein vielfältiges Programm entwickelt. So behauptet der Kinderpsychologe Michael Winterhoff provozierend, dass Kinder zunehmend zu Tyrannen erzogen werden. Einerseits werden sie als kleine Erwachsene und Partner behandelt, weil ihnen keine Grenzen mehr gesetzt werden. Andererseits werden sie mit hohen Ansprüchen in der Schule, im Musikunterricht oder im Sportverein völlig überfordert. Kinder brauchen mehr Führung durch ihre Eltern und gleichzeitig mehr Raum, um sich auszuprobieren, findet der Buchautor.
Die Auswirkungen von vollständiger Selbstüberschätzung und Eitelkeit sind in Castingshows zu beobachten. Über diesen Narzissmus spricht Hans-Werner Bierhoff, Professor für Sozialpsychologie von der Bochumer Universität. Brisanz gewinnt das Thema Selbstverliebtheit durch den Rücktritt von Karl Theodor von Guttenberg. Seine Inszenierung als Doktor des Rechts war verfehlt. Manche sehen darin eine Renaissance von Werten wie Ehrlichkeit und Verlässlichkeit.
„Die Gesellschaft rudert meines Erachtens zurück“, sagt Breuninger, galt vor einigen Jahren noch die Selbstverwirklichung des Individuums durchaus auf Kosten der Gemeinschaft als erstrebenswert, so gewännen Freundschaften, Engagement in Vereinen oder Gemeinsamkeit in der Familie an Bedeutung. „Als Genossenschaftsbank mit mehr als 400000 Mitgliedern liegt uns das Thema der Denkanstöße sehr nahe“, sagt Thomas Renner, Vorstandsvorsitzender der Sparda-Bank.
Die Genossenschaftsbank setze eben nicht auf Investmentbanking oder Profit für einige Wenige sondern auf die Mitglieder-Förderung. „Unser Geschäftsmodell ist solide, deshalb erwirtschaften wir ein kontinuierliches Wachstum, von dem die Mitglieder profitieren“, so Renner. JENS GIESELER
Ulm. Zum vierten Male finden Mitte März die Ulmer Denkanstöße von Uni und Stadt Ulm statt. Diesmal geht es mit namhaften Referenten für alle Bürger um die Spannung zwischen Egotrip und Gemeinschaftssinn.
Sabine Mayer-Dölle stellt fest: „So was hat Ulm gefehlt.“ Das sehe man am großen Zuspruch, den die Ulmer Denkanstöße finden, sagt die Ulmer Sozialbürgermeisterin. In kürzester Zeit habe sich diese Veranstaltung etabliert, mit der die Stadt und das Humboldt-Studien-Zentrum der Uni Ulm geistes- und sozialwissenschaftliche Zeichen setzen wollen. Themen dieses öffentlichen Symposiums im Stadthaus bisher: Interkulturalität. Würde am Lebensende. Respekt und Gewalt.
Das Thema für die vierte Auflage, die jetzt für 16. bis 19. März ansteht, erweist sich wieder als aktuell: „Was zählt unterm Strich: Ich oder Wir?“ S 21, Wutbürger, Partikularinteressen auch in der Ulmer Lokalpolitik, das sind für die Bürgermeisterin Beispiele für die Brisanz dieser Frage, die im Übrigen zukunftsentscheidend sei: In der älter werdenden Gesellschaft seien neue Formen und Strukturen gegenseitiger Unterstützung und Verantwortung gefragt.
Namhafte Referenten wie Kinderpsychiater Michael Winterhoff, Zukunftsforscher Horst W. Opaschowski und der Philosoph Peter Sloterdijk (siehe Info-Kasten) werden das Thema erörtern. Tatsächlich geht es um die grundphilosophische Frage nach dem Einzelnen in der Gesellschaft, nicht aber um ein Entweder-Oder, betont Prof. Renate Breuninger von der Uni: „Nur in der Gesellschaft sind Talente zu entwickeln, die der Einzelne dann wieder an sie zurückgibt.“ Ohnehin sei die Zeit der „Ichlinge“ vorbei, wie der Boom von Genossenschaften, Patenschaften, Familie und Ehrenamt zeige.
Den Anstoß für die Denkanstöße 2011 gab übrigens ganz profan die Fußball-WM 2006. So erinnerte sich Walter Hahn, Bereichsleiter von der Sparda-Bank Baden-Württemberg als Sponsor der Tagung, daran, wie das Public Viewing in seinem Göppinger Wohngebiet für eine unerwartete Gruppendynamik sorgte, die die Nachbarn bis heute zusammenhält. „Da bewegt sich was.“
So wie die Ulmer Denkanstöße etwas bewegen: Inzwischen liegen sogar Anfragen anderer Städte vor, dieses Modell zu übernehmen. Zu dem gehört, dass der Eintritt frei ist und der Spendenerlös an eine gemeinnützige Einrichtung fließt – diesmal an den Verein „Engagiert in Ulm“.
Ulm. Da haben sich die Macher der Ulmer Denkanstöße aber einen dicken Fisch geangelt: Zur vierten Auflage im März kommt der Philosoph Peter Sloterdijk.
Die 4. Ulmer Denkanstöße beschäftigen sich Mitte März wieder mit einem aktuellen Thema, Titel: „Was zählt unterm Stich: Ich oder Wir?“ Zur Er?ffnung haben das Humboldt-Studienzentrum der Universität und die Stadt Ulm als Veranstalter einen namhaften Redner gewonnen: den Philosophen Peter Sloterdijk. Darüber freut sich Prof. Renate Breuninger besonders, die Sloterdijk schon diverse Male fürs Studienzentrum für Philosophie und Geisteswissenschaften an der Uni haben wollte – bislang vergeblich. Für die Denkanstöße hat es jetzt geklappt: „Das ist dermaßen cool“, gibt sie sich begeistert. „Ich war seit Juli hinter ihm her.“ Iris Mann, als Kulturreferentin der Stadt Mitorganisatorin, teilt die Freude: „Er stand auf der Wunschliste ganz oben.“
Sloterdijk, Rektor und Professor für Philosophie und Ästhetik der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe und dem Fernsehpublikum als Moderator des „Philosophischen Quartetts“ im ZDF bekannt, hält am 17. März den Eröffnungsvortrag im Stadthaus: „Der starke Grund zusammen zu sein.“ An der öffentlichen Tagung, die über drei Tage das gesellschaftliche Spannungsverhältnis zwischen Egoismus und Ehrenamt, Ellenbogen und Gemeinsinn auslotet, nimmt auch Zukunftsforscher Horst Opaschowski teil. Das Thema der Denkanstöße scheint Sloterdijk dabei auf den Leib geschneidert, Titel seines letzten Buches: „Die nehmende Hand und die gebende Seite.“ Darin denkt er über die Zukunft des Kapitalismus nach und über Bürgerbeiträge fürs Gemeinwesen. Auch die Proteste gegen Stuttgart 21 hatte er zuletzt im Blick: „Über Bürgerausschaltung in Demokratien.“
Schon 2010 sorgte der Gastredner zur Eröffnung für einen überfüllten Stadthaussaal: Der Essayist Richard David Precht sprach über Anerkennung in der Gesellschaft.
JAKOB RESCH
Leitartikel – Denkanstöße: Was die Stadt zusammenhält
Das Risiko modern zu denken, das ist der Titel einer Ausstellung, die gerade im Ulmer Museum läuft. Was hier als modern bezeichnet wird, ist allerdings schon 700 Jahre alt. Damals, und damit lange vor Luther, hat das Franziskanermönchlein Wilhelm von Ockham das Denken ein bisschen auf den Kopf gestellt. Oder sollte man sagen: vom Kopf auf die Füße? Einerlei, jedenfalls hat – wie jetzt im Ulmer Museum zu sehen – der Grafiker und Denker Otl Aicher aus Söflingen Ockhams Leben kongenial in einem Bilderbogen nachgezeichnet.
Das Risiko modern zu denken, das ist ein ganz schön hoher Anspruch. Heutzutage ist oft schon das Risiko, überhaupt zu denken, lobenswert. Gelegenheit dazu geben die Ulmer Denkanstöße, die es jetzt im dritten Jahr im Stadthaus gab. Eine Veranstaltung, die man nicht unterschützen sollte.
Warum? Weil hier die Stadt Ulm und die Universität Ulm einmal ihre Kräfte bündeln, um das Miteinander der Ulmer zu verhandeln.
Warum? Weil hier praktische Erfahrung und theoretische Ansätze zusammentreffen, um das Miteinander zu regeln.
Warum? Weil hier Themen zur Sprache kommen, die die Stadtgesellschaft mit sich ausmachen muss, will sie nicht auseinanderfliegen. Man erinnere sich:
2008: Multikulturalität. Oder sagen wir mal so: Wie lebe ich mit meinem Ausländer zusammen?
2009: Würde am Ende des Lebens. Oder sagen wir mal so: Was gehen mich schon Alter und Tod an?
2010: Gesellschaft ohne Respekt. Oder sagen wir mal so: Wer will schon gern die Fresse vollhaben?
Sage keiner, er habe allgemeingültige Lösungen für solche Fragen. Genau deswegen sind diese Denkanstöße so anstoßerregend. Und sie verpflichten zumindest die maßgeblichen gesellschaftliche Kräfte auf wichtige schwierige Themen. Im Stadthaus sind nämlich alle dabei. Der Herr Kulitz von der Wirtschaft und der Herr Gohl von der Kirche und alle anderen auch. Und keiner kann nachher sagen, er habe damit nichts zu tun.
Die Denkanstöße sind ein wichtiger Beitrag, die Stadt zusammenzuhalten, ein Schwörmontag alleine schafft das nicht mehr. Gemeinsam feiern ist zwar eine geile Sache, hilft aber nur leicht vorübergehend, Probleme zu lösen. Nun kann eingewendet werden, dass es letztlich immer noch Handel und Wandel und eine funktionierende Wirtschaft und das Geld sind, die zeigen, wo der Hammer hängt. Aber ist dies tatsächlich eine verlässliche Größe für die angesprochenen Problemlagen?
Otl Aicher sah das Dilemma der Kommunen darin, dass sie am Tropf des Zentralstaates hängen. Das ist das, was auch der Ulmer Oberbürgermeister stets beklagt. Es ist vorbei mit der Herrlichkeit der unabhängigen Stadt, die ihre Angelegenheiten selber regelt, mit „Daseinsgarantie f?r Kranke und Alte“, wie Aicher sagte: „Eine heutige Stadt ist schon glücklich, wenn sie sich eine Fußgängerzone leisten kann. Sie kann wenig tun, dem Bild einer Zivilisation etwas entgegenzuhalten, die vom Konsum bestimmt wird.“ Hart, aber nicht unbedingt wahr, muss man dem Söflinger nachrufen.
Man kann auch Stärke zeigen in der Einigkeit der Fragestellungen. Das Risiko modern zu denken bestand nach Ockham darin, dass der Mensch frei ist, diese Freiheit dann aber auch zu verantworten hat. Das ist topaktuell. So gesehen darf sich Ulm 700 Jahre später zumindest geistig voll auf der Höhe fühlen. Und die Ulmer handeln danach. Im Kulturverein. Im Hospiz. Vielleicht auch vermehrt auf der Straße. JAKOB RESCH
Erscheinungsdatum: Samstag, 6. März 2010
Quelle: Südwest Presse
Coolness ist Mainstream
Was genau ist cool? Dieser Frage ging Pfarrer Hartmut Hühnerbein bei den Ulmer Denkanstößen nach. Aber weiß er wirklich, was cool ist? Der Versuch einer Betrachtung aus Sicht eines Jugendlichen.
Sonnenbrille aufsetzen, auch wenn die Gardinen geschlossen sind. Cool sein. Wer will das nicht? Doch was ist cool? Wer bestimmt was cool ist und was nicht? Die Gesellschaft, ganz klar. Allen voran natürlich die Vorbilder. Springt einer der Trendsetter mit einer neuen Sonnenbrille durch die Gegend, dann wollen sie auf einmal alle haben. Dann gibt es natürlich auch noch die Werbung. Die großen Konzerne wissen genau, wie sie ihre Models ausstatten müssen, dass bei den Jugendlichen, die eine Zeitschrift aufschlagen, und die perfekt eingekleideten Mädels und Jungs dort sehen, sofort der „Haben müssen“-Drang ausbricht.
Coolness ist, meiner Meinung und meinem Verständnis nach, der Drang, anderen Leuten zu gefallen. Der Drang nach Anerkennung. Wer nicht zwanghaft dem Trend hinterher hetzt, der kann sehr schnell zum Außenseiter werden. Wer immer noch lange Haare hat, wenn dies schon längst wieder „out“ ist, der kann davon ausgehen, dass er auf der Straße schräg angeschaut wird. Denn Coolness ist Mainstream. Ich merke es jeden Tag. Jeder der „anders“ ist, wird schräg angeschaut. Ich will mich jetzt nicht so anhören, als wäre ich da anders, denn ich bin es nicht. Und ich glaube, niemand ist es. Jeder versucht, beachtet zu werden, jeder will besonders sein, jeder will begehrt sein. Das ist ganz einfach eine menschliche Schwäche.
Wer dann, gerade um dem Mainstream zu entkommen, versucht anders zu sein, der kann unabsichtlich eine weitere Welle des Mainstream lostreten – ein Problem sämtlicher Undergroundbewegungen.
Doch was genau ist cool? „Cool sind Autoritätspersonen“, sagte der Pfarrer Hartmut Hühnerbein in seinem Vortrag bei den Ulmer Denkanstößen, bei dem er den Begriff Coolness wissenschaftlich auseinander genommen hat. „Menschen ohne Anerkennung sind nicht cool. Sie wollen aber auch gelten.“
Doch eigentlich ist für jeden etwas anderes cool. Die Frage, „was ist cool?“, ist genauso wenig zu beantworten, wie die Frage nach dem Sinn des Lebens. Für manche jene Klamotten, für andere diese Klamotten. Die einen halten Rock für das Coolste, die anderen sterben für HipHop. Das Bild der Coolness verändert sich mit jeder Generation, genauso wie der Musikgeschmack. Hippies? Wie uncool! Und wer würde heute noch herumlaufen wie die 80er Glamrock Bands? Als mein Vater noch jung war, da war ein Schnauzbart der letzte Schrei. Heute sind es die getönten Pilotenbrillen.
Apropos getönt. Vielleicht hat Herr Hühnerbein doch recht, wenn er sagt, dass Coolness eine Maske oder eine Barriere ist. Wer sich öffnet, der wird verletzlich, und wer will denn schon verletzlich sein? Die getönte Brille, zum Beispiel, hilft einem, sich von der Außenwelt abzuschotten. Sie ist ein Mittel, um zu vermeiden, dass jemand einem in die Augen schaut.
Hühnerbein bemängelt auch, dass es der Jugend schwer fällt, in der Welt eine Orientierung zu finden. Jugendliche wollen, laut Hühnerbein, cool sein, weil es ihnen etwas gibt, woran sie sich orientieren können. Er findet auch, dass der Höhepunkt der Coolness schon längst überschritten ist. Coolness, vom wissenschaftlichen Standpunkt aus gesehen, versteht sich. Dass man Coolness auch vom wissenschaftlichen Standpunkt aus sehen kann, habe ich allerdings noch gar nicht gewusst. Wie sich das allein schon anhört!
Denn ganz nüchtern betrachtet ist das Wort „cool“ einfach eine Art Ersatz für Wörter wie „toll“ oder „super“. Wenn ich zum Beispiel sage „Der Film war richtig cool“ geht mir nicht zwangsläufig all das durch den Kopf, was ich hier so geschrieben habe. Cool ist eigentlich nur ein Wort, dass Überschätzt wird.
Erscheinungsdatum: Dienstag, 2. März 2010
Quelle: Südwest Presse