Was genau ist cool? Dieser Frage ging Pfarrer Hartmut Hühnerbein bei den Ulmer Denkanstößen nach. Aber weiß er wirklich, was cool ist? Der Versuch einer Betrachtung aus Sicht eines Jugendlichen.
Sonnenbrille aufsetzen, auch wenn die Gardinen geschlossen sind. Cool sein. Wer will das nicht? Doch was ist cool? Wer bestimmt was cool ist und was nicht? Die Gesellschaft, ganz klar. Allen voran natürlich die Vorbilder. Springt einer der Trendsetter mit einer neuen Sonnenbrille durch die Gegend, dann wollen sie auf einmal alle haben. Dann gibt es natürlich auch noch die Werbung. Die großen Konzerne wissen genau, wie sie ihre Models ausstatten müssen, dass bei den Jugendlichen, die eine Zeitschrift aufschlagen, und die perfekt eingekleideten Mädels und Jungs dort sehen, sofort der „Haben müssen“-Drang ausbricht.
Coolness ist, meiner Meinung und meinem Verständnis nach, der Drang, anderen Leuten zu gefallen. Der Drang nach Anerkennung. Wer nicht zwanghaft dem Trend hinterher hetzt, der kann sehr schnell zum Außenseiter werden. Wer immer noch lange Haare hat, wenn dies schon längst wieder „out“ ist, der kann davon ausgehen, dass er auf der Straße schräg angeschaut wird. Denn Coolness ist Mainstream. Ich merke es jeden Tag. Jeder der „anders“ ist, wird schräg angeschaut. Ich will mich jetzt nicht so anhören, als wäre ich da anders, denn ich bin es nicht. Und ich glaube, niemand ist es. Jeder versucht, beachtet zu werden, jeder will besonders sein, jeder will begehrt sein. Das ist ganz einfach eine menschliche Schwäche.
Wer dann, gerade um dem Mainstream zu entkommen, versucht anders zu sein, der kann unabsichtlich eine weitere Welle des Mainstream lostreten – ein Problem sämtlicher Undergroundbewegungen.
Doch was genau ist cool? „Cool sind Autoritätspersonen“, sagte der Pfarrer Hartmut Hühnerbein in seinem Vortrag bei den Ulmer Denkanstößen, bei dem er den Begriff Coolness wissenschaftlich auseinander genommen hat. „Menschen ohne Anerkennung sind nicht cool. Sie wollen aber auch gelten.“
Doch eigentlich ist für jeden etwas anderes cool. Die Frage, „was ist cool?“, ist genauso wenig zu beantworten, wie die Frage nach dem Sinn des Lebens. Für manche jene Klamotten, für andere diese Klamotten. Die einen halten Rock für das Coolste, die anderen sterben für HipHop. Das Bild der Coolness verändert sich mit jeder Generation, genauso wie der Musikgeschmack. Hippies? Wie uncool! Und wer würde heute noch herumlaufen wie die 80er Glamrock Bands? Als mein Vater noch jung war, da war ein Schnauzbart der letzte Schrei. Heute sind es die getönten Pilotenbrillen.
Apropos getönt. Vielleicht hat Herr Hühnerbein doch recht, wenn er sagt, dass Coolness eine Maske oder eine Barriere ist. Wer sich öffnet, der wird verletzlich, und wer will denn schon verletzlich sein? Die getönte Brille, zum Beispiel, hilft einem, sich von der Außenwelt abzuschotten. Sie ist ein Mittel, um zu vermeiden, dass jemand einem in die Augen schaut.
Hühnerbein bemängelt auch, dass es der Jugend schwer fällt, in der Welt eine Orientierung zu finden. Jugendliche wollen, laut Hühnerbein, cool sein, weil es ihnen etwas gibt, woran sie sich orientieren können. Er findet auch, dass der Höhepunkt der Coolness schon längst überschritten ist. Coolness, vom wissenschaftlichen Standpunkt aus gesehen, versteht sich. Dass man Coolness auch vom wissenschaftlichen Standpunkt aus sehen kann, habe ich allerdings noch gar nicht gewusst. Wie sich das allein schon anhört!
Denn ganz nüchtern betrachtet ist das Wort „cool“ einfach eine Art Ersatz für Wörter wie „toll“ oder „super“. Wenn ich zum Beispiel sage „Der Film war richtig cool“ geht mir nicht zwangsläufig all das durch den Kopf, was ich hier so geschrieben habe. Cool ist eigentlich nur ein Wort, dass Überschätzt wird.
Erscheinungsdatum: Dienstag, 2. März 2010
Quelle: Südwest Presse
Ben X: Ein Film über Mobbing
Online ein Held, in der Klasse Opfer: Was passiert, wenn Menschen gemobbt werden? Der Film „Ben X“, der im Rahmen der Ulmer Denkanstöße gezeigt wurde, greift das Thema auf.
Ben ist Außenseiter. Denn Ben ist anders. Er leidet am Asperger-Syndrom, einer autistischen Persönlichkeitsstörung, und lebt in seiner eigenen Welt. Um der harten Realität zu entfliehen, spielt er, wann immer er kann, das Online-Spiel „Archlord“. Denn dort ist er ein Held. Gemeinsam mit seiner Gefährtin Scarlite besteht er alle Abenteuer, die das Spiel zu bieten hat. Er ist mächtig und man erweist ihm Respekt.
Doch im wirklichen Leben ist Ben ein Niemand. Das sagt schon der Name des Films, „Ben X“. Holländisch ausgesprochen Bennix, auf Deutsch bedeutet das: „Ich bin nichts“.
In der Schule wird der wehrlose Ben täglich gemobbt und tyrannisiert. Besonders von zwei Mitschülern, doch auch fast der komplette Rest der Klasse zieht nach und macht mit. Immer tiefer frisst Ben die Erlebnisse in sich hinein, bis es ihm eines Tages zu viel wird, und er beschließt, dass es Zeit fürs Endspiel ist. Ben will einen Schlussstrich ziehen. Doch dann taucht seine Internetgefährtin Scarlite auch in seinem wirklichen Leben auf.
Beinahe unerträglich lange Szenen, in denen Ben bis zum Letzten gemobbt wird, und die Hilflosigkeit, mit der Ben diesen Ereignissen gegenübersteht, machen den Film zu einem, der schockt. Besonders unerträglich wird es, als die beiden Mitschüler den hilflosen Ben eine Droge schlucken lassen. Er wird euphorisch und hat Halluzinationen, die eigentlich lustig wären, hätte der Film nicht so eine ernste Handlung. Das einige der jüngeren Zuschauer im Saal trotzdem lachen, finde ich respektlos.
Immer wieder tauchen auch Sequenzen aus dem Online-Spiel „Archlord“ auf, die zeigen, dass Ben versucht, mithilfe dieses Spiels sein wirkliches Leben zu meistern. „Immer den Überblick behalten“, das ist Bens Devise.
Der Film macht nachdenklich. Was kann passieren, wenn jemand gemobbt wird? Wie fühlen sich die Menschen, denen so etwas zustößt? Muss es immer so weit kommen? Gibt es auch Wege, so etwas zu verhindern? Auch wenn der Film nicht mehr im Kino läuft, sehenswert ist er auch auf DVD auf jeden Fall.
Info: Den Film Ben X von Nic Balthazar gibt es auf DVD, Spieldauer 90 Minuten.
Erscheinungsdatum: Dienstag, 2. März 2010
Quelle: Südwest Presse
Ungelöstes Gewaltproblem
3. Ulmer Denkanstöße über die Verrohung der Gesellschaft
Ulm. Vier Tage lang befassten sich die Ulmer Denkanstöße mit der Gewalt in unserer Lebenswelt. Die Frage, warum wir scheinbar zu einer Gesellschaft ohne Respekt mutieren, wurde nicht immer erschöpfend beantwortet.
„So bleibt uns nichts anderes übrig, als am Ich und am Wir zu arbeiten.“ Dieses ernüchternde Fazit zog am Samstagabend Prof. Dieter Beschorner, der Sprecher des Vorstands des Humboldt-Studienzentrums an der Universität Ulm. Gerade waren die 3. Ulmer Denkanstöße mit einer Podiumsdiskussion zu Ende gegangen, die das Humboldt-Studienzentrum zusammen mit der Stadt Ulm und der Sparda-Bank veranstaltet hatte. Das Thema: die spürbare, tagtägliche Gewalt inmitten unserer Gesellschaft. Und trotz allem geballten Sachverstand, der sich an drei von vier Tagen in Vorträgen und Analysen redlich mühte, Licht ins Dunkel zu bringen, gab es keine hinreichenden Antworten – und schon gar keine Lösung für die Problematik.
Einer der Höhepunkte der diesjährigen Denkanstöße war der überaus gut besuchte und allgemein verständliche Vortrag von Richard David Precht, Philosoph, Essayist und Publizist (wir berichteten). Aber auch die anderen Fachmänner und Fachfrauen, so Prof. Renate Breuninger, Geschäftsführerin des Humboldt-Studienzentrums, hätten das Publikum mit ihren Analysen beeindruckt. Die Symposien seien gut besucht gewesen, auch von Jugendlichen. Etwas enttäuscht war die Organisatorin der Denkanstöße von der abschließenden Podiumsdiskussion am Samstagabend. Da sei zu vieles durcheinander gegangen, auch habe das Gespräch darunter gelitten, dass einige Podiumsteilnehmer frühzeitig zu ihren Zügen eilen mussten.
Wenn die verbliebenen Besucher des Abschlusspodiums etwas mit auf den Weg nach Hause genommen haben, dann die Erkenntnis, dass es mehrere Gründe für die Verrohung unserer Gesellschaft gibt: die fast schon normale Gewalt, die täglich auf dem Fernsehbildschirm zu sehen ist, der sorglose Umgang mit dem weltweiten Internet, nahezu grenzenlos gewalttätige Computerspiele. Weniger der Staat, vielmehr die Familie sei gefordert, regulierend einzugreifen, Grenzen zu ziehen in einer grenzenlosen Gesellschaft. Diesbezüglich ist der Sozialwissenschaftler Prof. Meinhard Miegel, einst Leiter der Hauptabteilung Politik in der CDU-Bundesgeschäftsstelle und jetzt Stiftungsvorsitzender des Denkwerks Zukunft in Bonn, überaus skeptisch. In seinem der Podiumsdiskussion vorausgegangenen Vortrag hatte er ein pessimistisch-düsteres Fazit gezogen: Eigentlich sei die „Mach-was-Du-willst“-Gesellschaft, die nur auf den Sozialstaat schaue, am Ende. Andere wie die Psychiaterin Prof. Renate Schepker aus Weißenau bei Ravensburg versuchte, die Wirtschaft mit einzubinden: Sozialarbeit durch Streetworker sei sicher gut: „Aber wichtiger ist es, dass Menschen einen Arbeitsplatz bekommen. Das schafft Perspektive.“
Vielleicht den größten Beifall auf dem Podium erhielt der Rechtsanwalt Marc Liesching aus München, spezialisiert auf Jugendschutz und Medienrecht: Der Staat könne nur Flankenschutz geben. „Wenn die elterliche Erziehung versagt, dann hilft auch kein Staat mehr.“ Pfarrer Hartmut Hühnerbein, Sprecher des Christlichen Jugenddorfwerks, bedauerte, dass die ersten sechs Lebensjahre von Kinder weniger in der Familie, sondern mehr in Krippen, Kindergarten, Schulen und Horten stattfinden. „Ich bin privilegiert erzogen worden. Meine Mutter hatte alle Zeit der Welt für mich.“ Diese Aussage forderte den Widerspruch der Psychiaterin Schepker heraus: „Das ist mir zu einfach.“ Alleinerziehende würden zu sehr allein gelassen. Auch die geforderte Flexibilität am Arbeitsplatz und der damit verbundene Umzug vieler Familien befördere nicht gerade den Halt in der Gesellschaft.
Erscheinungsdatum: Montag, 1. März 2010
Quelle: Südwest Presse
Kommentar – Stadtgesellschaft: Zeichen und Mahnung
Eine Bildungsmesse, die in ihrem Kernanliegen, Schüler, Lehrer, Weiterbilder, Ausbilder zusammenzubringen, Qualität erreichte wie noch nie; „Ulmer Denkanstöße“, die Themen aufgreifen, die uns alle angehen und die Uni Ulm wie keine andere Veranstaltungsreihe hereinholt in die Stadt; die Aktion 100.000 und Ulmer helft, die dank der Mitwirkung Hunderter tausendfach Unterstützung leisten kann, die ermöglicht und Glaubwürdigkeit aus Unmittelbarkeit schöpft.
Drei Initiativen, die am Wochenende im Blickfeld standen. Sie haben unterschiedliche Ziele, ihnen gleich ist aber, dass sie zwar institutionalisierte Rahmen haben, ihre Qualität jedoch schöpfen aus der Bereitschaft Einzelner, die Allgemeinheit zu erhellen, das Allgemeinwohl zu fördern. Sie existiert also, die Gegenbewegung zur Tendenz gesellschaftlicher Spaltung und der Verfolgung von Partikularinteressen. So lange die bürgerliche Gesellschaft dagegen hält, wird die Stadtgesellschaft nicht in Einzelteile zerfallen.
Bemerkenswert, dass am Ende der 39. Aktion 100.000, die lief in der GFWK, der größten Finanz- und Wirtschaftskrise, ein Höchstergebnis herauskommt. Große Teile der Öffentlichkeit spüren, dass in Hartz-IV-Land ein immer größerer Teil der Bevölkerung ans Existenzminimum gerät. Die Rekordsumme ist daher sowohl ein Zeichen von Solidarität als auch Mahnung an Verantwortliche, Korrekturen vorzunehmen an einer im Kern richtigen Reform des Sozialsystems. HANS-ULI THIERER
Erscheinungsdatum: Montag, 1. März 2010
Quelle: Südwest Presse
Der Country Rebell
Erscheinungsdatum: Sonntag, 28. Februar 2010
Quelle: Südwest Presse
Köpfe Klatsch Kurioses
Politisch denken
Zeit, das sei der Schlüssel für mehr Respekt untereinander, sagte Thomas Renner am Donnerstag zur Eröffnung der 3. Ulmer Denkanstöße im Stadthaus. Renner ist Vorstandsvorsitzender der Sparda-Bank Baden-Württemberg, die die Denkanstöße maßgeblich sponsert. Zeit füreinander zu haben, das fehle vor allem Jugendlichen, die Orientierung suchten, denen aber keiner zuhöre in einer Welt, in der es schick sei, unter Zeitdruck zu stehen und einen vollen Terminkalender zu haben. Genau das zeigte sich auch im Stadthaus, in dem sich am Donnerstag die Ulmer Prominenz aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kirche ein Stelldichein gab. Während der Begrüßungsreden waren manche mehr mit ihren Blackberries und Handys für Botschaften in eigener Sache beschäftigt, zum Beispiel IHK-Präsident Peter Kulitz und der evangelische Dekan Ernst-Wilhelm Gohl. Auf der anderen Seite sahen sich Ulmer Stadträte respektlos behandelt, weil sie keinen Sitzplatz in der ersten Reihe hatten. „Gesellschaft ohne Respekt?“ Dieses Thema der diesjährigen Denkanstöße gibt doch offensichtlich zu denken. Den richtigen Ton traf immerhin Grünen-Stadträtin Siyou Ngnoubamdjum. Sie warb als musikalische Botschafterin mit Joe Fessele am Fl?gel mittels Gospels für respektvollen Umgang. Und dafür nahm sie sich auch schön viel Zeit.
Erscheinungsdatum: Samstag, 27. Februar 2010
Quelle: Südwest Presse